Interview

Duales Studium ohne Abi ?

Duales Studium Erfahrungsbericht ohne Abitur DHBW

Wie es Jana auch ohne Abitur zum Studium an die DHBW geschafft hat.

Jana Kerchmann* studiert im 4. Semester Wirtschaftsinformatik an der DHBW Stuttgart. Die 22jährige aus Bietigheim-Bissingen hat nicht den üblichen Weg über das Abitur genommen. Im career21-Interview schildert sie Erfahrungen und Besonderheiten ihrer Ausbildung.

#Studium allgemein
Hallo Jana, wie hast Du die Zulassung zum DHBW Studium geschafft?
Ich habe nach der mittleren Reife eine Ausbildung zur Industriekauffrau gemacht und daran anschließend die Fachhochschulreife mit einem Notendurchschnitt von 1,6 erworben.

Was waren die Gründe für ein DHBW-Studium?
Nachdem ich meine Berufsausbildung abgeschlossen hatte, war es für mich undenkbar, dreieinhalb Jahre an einer Hochschule oder Universität zu studieren. Bis auf das Praxissemester, wäre mir das einfach zu theoretisch gewesen. Da ich generell von der dualen Ausbildung, gerade durch meine schon abgeschlossene Berufsausbildung sehr überzeugt bin, war das duale Studium an der DHBW für mich perfekt.

Das Duale Studium kombiniert theoretische Inhalte mit praktischen Erfahrungen. Das erleichtert das Lernen sehr. Dazu bekommt man Einblicke in das Firmenleben und hat später sogar die Chance, nach dem Studium in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen zu werden. Das war mir sehr wichtig, denn ich höre oft davon, wie schwierig es ist, nach einem Hochschul- oder Uni-Studium eine geeignete Arbeitsstelle zu finden. Ein weiterer Punkt, der für das duale Studium sprach, war die kürzere Regelzeit von drei Jahren statt dreieinhalb Jahren.

Zudem ist ein weiterer Vorteil des dualen Studiums, dass man eine monatliche Vergütung erhält. So muss man kein Bafög beantragen und nach Jahren zurückzahlen. Und die Standorte der DHBW sind meist gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen.

Warum dieser Studiengang?
Wirtschaftsinformatik ist ein Studiengang der Zukunft. Zuerst dachte ich daran, BWL zu studieren, dennoch ist die reine BWL zu theoretisch und allgemein. Dazu gibt es viele weitere BWL Studierende und auch der Betriebswirt, der über den zweiten Bildungsweg erreicht wird, ähnelt dem Studiengang sehr. Dadurch gibt es ein hohes Angebot an Arbeitskräften, die einen breitgefächerten BWL Hintergrund haben. Dazu wollte ich nicht gehören.

Ich entschied mich für Wirtschaftsinformatik an der DHBW, da ich mich sehr für SAP interessiere. Das rührte noch von meiner vorherigen Ausbildung her. Im SAP-Bereich gibt es viele spannende Herausforderungen und ich wusste genau, dass ich im SAP Support arbeiten wollte.

Wirtschaftsinformatik ist der perfekte Studiengang hierfür, denn er bildet die Brücke zwischen der BWL und der Informatik, welche durch die Digitalisierung nun sehr häufig gebraucht wird. Die Berufsaussichten sind daher optimal.

Wie bist Du auf das Ausbildungsunternehmen gekommen?
Ich kannte das Ausbildungsunternehmen durch eine Klassenkameradin aus meiner Berufsschule. Als ich auf die DHBW-Studienmesse in Stuttgart ging, lernte ich dort meine jetzige Ausbildungsleitung kennen und wir kamen ins Gespräch. Da es üblicherweise nicht so viele Bewerbungen für Wirtschaftsinformatik gibt und ich mich durch den Messebesuch schon bekannt gemacht hatte, fiel ich zwischen den Bewerbungen auf.

Wie viele Bewerbungen hast Du geschrieben?
Ich habe 30 Bewerbungen geschrieben, da ich davon überzeugt war, dass ich gerne Wirtschaftsinformatik studieren möchte und dies dual. Damals hatte ich noch kein Zeugnis vom Berufskolleg und ich dachte, dass dies ein Nachteil sein wird, da ich mich nur mit der Schulbescheinigung und meinem Ausbildungszeugnis bewarb.

Dennoch sprach es für mich, dass ich meine Ausbildung mit einer eins vor dem Komma geschafft hatte und ich bereits weitreichende SAP-Erfahrung vorweisen konnte.

Wie wichtig war Dir das Gehalt?
Das Gehalt während des dualen Studiums ist bei den meisten Firmen gut und an eine Ausbildungsvergütung angelehnt. Daher konnte ich im Vergleich mehrerer Firmen eine ähnliche Vergütung feststellen. Nach dem Studium wird das Gehalt wichtiger sein, dennoch finde ich es ebenso wichtig, dass der Job Spaß macht und man sich gut mit den Kollegen versteht. Ich denke nicht, dass es etwas bringt, in einer Firma zu arbeiten, in der man viel Geld verdient, aber der Job langweilig ist. Geld alleine macht einen nicht glücklich.

#Ausland
Hattest du schon während Deines Studiums Auslandsaufenthalte?
Momentan bin ich für sechs Wochen in England, wo ich ein Projekt leite, das später Thema meiner zweiten Projektarbeit sein wird. Wir führen dort SAP ein und daher werde ich häufiger in England sein, aber nicht für eine längere Zeit.

#Zukunft
Jana wird in diesem Jahr ihr Studium abschließen und trägt dann den Titel Bachelor of Science.

Gibt es Pläne für den weiteren Berufsweg und ist der Master für Dich interessant?
Zuerst möchte ich ein paar Jahre in meinem Beruf arbeiten. Ich habe mir überlegt, danach den Master noch drauf zu legen, allerdings nicht in Vollzeit. Ich finde den dualen Master sehr interessant, aber er ist leider auch sehr kostenaufwändig. Ich habe mir schon viele verschiedene Masterstudiengänge angeschaut. Ich denke, falls ich den Master mache, wird es wieder in Richtung Wirtschaftsinformatik gehen.

#Location
Du studierst in Stuttgart – was bietet die Stadt als Studienort?
Der Standort der DHBW in Stuttgart liegt in der Stadtmitte. Dort ist besonders die S-Bahn-Anbindung sehr gut, da jede S-Bahn dort hält. In Stuttgart gibt es viele Bibliotheken, in denen man lernen kann und auch die Essensmöglichkeiten in der Mittagspause sind sehr gut.

Gibt es interessante Freizeitmöglichkeiten?
Da ich in der Nähe von der Stuttgart wohne, nutze ich in Stuttgart keine Freizeitmöglichkeiten, dennoch bietet die DHBW regelmäßig Freizeitaktivitäten wie Hochschulsport, Musicalbesuche und ähnliches an. Ich würde diese wahrscheinlich nutzen, wenn ich direkt in Stuttgart wohnen würde.

Was macht man abends in der Landeshauptstadt?
Ich gehe am liebsten in die Stuttgarter Bars und zu den vielen verschiedenen Konzerten. Es gibt in Stuttgart sehr viele verschiedene Bars, Restaurants und Clubs. Ebenfalls bietet der Cannstatter Wasen ein tolles Erlebnis. Hier gibt es oft Studentennächte, bei denen ein Freimaß verteilt wird oder ähnliches.

#Alltag Theorie und Praxis
Wie sieht ein Tag in der Praxis aus?
Im Gegensatz zu den meisten Studierenden anderer Firmen, bin ich hauptsächlich nur in der IT. Ehrlich gesagt bin ich bereits schon im Studium Teil des SAP Teams und betreue zum GoLive die SAP Module FI und CO. Jeder Tag ist etwas anders. Es kommt darauf an, welches Problem es zu lösen gilt. Und daher ist jeder Tag eine neue spannende Herausforderung. Meistens beginnt meine Arbeit um 7:30 Uhr und endet um 16:30 Uhr. Freitags hat die gesamte Firma ab 13 Uhr die Möglichkeit, ins Wochenende zu starten.

Wie reagieren Deine Kolleginnen und Kollegen auf Dein Studienfach?
Meine Kolleginnen und Kollegen meinen, es ist ein toller Studiengang. Dennoch wissen sie, dass ein duales Studium sehr anstrengend werden kann. Aber ich werde von allen gut unterstützt. Generell hat Wirtschaftsinformatik das Image, dass es ein sehr schwieriger und anspruchsvoller Studiengang ist – dennoch ist es machbar, wenn man intensiv dafür lernt.

Fühlst Du Dich mehr als Studentin oder als Arbeitnehmerin?
Das kommt tatsächlich auf den Studienblock an, denn während der Zeit im Betrieb fühlt es sich eher an, als wäre ich eine Arbeitnehmerin und während den Theoriephasen fühle ich mich wie eine Studentin. Dennoch ist die Abwechslung sehr gut.

Wie sieht ein Tag an der DHBW aus?
Die DHBW startet meistens um 9 Uhr mit dem ersten Vorlesungsblock bis 12:15 Uhr. Die daran folgende Pause dauert bis 13:15 Uhr. Der dann startende zweite Vorlesungsblock geht bis 16:30 Uhr. Innerhalb jeden Blocks gibt es 15 Minuten Pause. Die Blöcke werden individuell nach Verfügbarkeit der Dozenten abgehalten, das heißt, dass es zum Semesterbeginn einen Plan für die gesamte Phase gibt. Das ist kein Stundenplan, der sich wöchentlich wiederholt. Es kann sein, dass die Vorlesung eines Moduls bereits einen Monat vor den Klausuren beendet ist. Während der Klausurphasen sind meistens keine Vorlesungen.

Was, glaubst Du, unterscheidet ein Duales Studium zentral von einem an Uni oder Hochschule?
Ich glaube ein duales Studium bietet einen besseren Einblick in Unternehmen und bringt den Studenten realitätsnaher den Stoff bei. An einer Uni oder Hochschule ist der Stoff viel tief-gehender und wissenschaftlicher, was nicht unbedingt schlecht ist, aber in Anbetracht, wie viel davon später im Berufsleben benötigt wird, ist es meist zu theoretisch und nicht realitätsnah.

An der DHBW kommen die meisten Dozenten aus Unternehmen und können anhand von Praxis-Beispielen sehr genau erklären. In den Semesterferien müssen keine Hausarbeiten geschrieben werden. Insgesamt werden in der Fakultät Wirtschaft zwei Projektarbeiten und eine Bachelorarbeit geschrieben, die meist auf Projekten des Ausbildungs-Unternehmens basieren.

Was ist arbeitsintensiver – Theorie- oder Praxisphase?
Meiner Meinung nach ist die Theoriephase arbeitsintensiver, da nach Ende der Vorlesung trotzdem daheim weitergelernt werden muss. Besonders in der Klausurenphase wird es sehr stressig. In der Praxisphase kann nach der Arbeit nach Hause gegangen werden und es muss nicht noch etwas zusätzlich für die Arbeit gemacht werden.

#Familie, Freunde, Hobbys
Wenn Du nicht gerade büffelst oder arbeitest – was machst Du dann am liebsten?
Ich treffe mich am liebsten mit meinen Freunden.

Wie haben Freunde, Schulkollegen und Familie auf Deine Idee mit dem Dualen Studium reagiert?
Meine Eltern wussten nicht, dass es das duale Studium in dieser Form gibt, dennoch sind sie sehr begeistert, da es eine gute Möglichkeit ist, schon während des Studiums erste Berufserfahrungen zu sammeln und Geld zu verdienen.

Meine Freunde und Schulkollegen haben sich sehr für mich gefreut, als ich erzählte, dass ich einen Platz für ein duales Studium habe, da sie wissen, dass es nicht üblich ist, ein duales Studium ohne Abitur zu machen.

Würdest Du die Entscheidung wieder so treffen?
Ja, ich würde meine Entscheidung wieder so treffen. Ich würde auch wieder zuerst eine Ausbildung machen, denn dies ist eine gute Grundlage für die weitere Zukunft. Denn so sammelt man schon erste Einblicke ins Berufsleben. Dazu würde ich auch wieder die einjährige Fachhochschulreife machen. Ich kann mir nicht vorstellen, an Hochschule oder Uni zu studieren.

Ermöglicht Dir Dein Gehalt einen anderen Lebensstil als bei den Studierenden, die Du kennst?
Ja, definitiv. Ich bin nicht auf Bafög und das Geld von meinen Eltern angewiesen. Es ermöglicht mir, einen anderen Lebensstil zu führen. Ich kann mir von dem Geld Urlaube leisten und ein Auto unterhalten.

Bist Du generell mehr ein praktischer Mensch, der lieber anpackt als theoretisiert?
Ich war schon immer eher ein Praktiker.

Besten Dank Jana für das Interview und alles Gute weiterhin!

*Namen von der Redaktion geändert


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